Lesen und Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt
Wie so oft in ihrem Alltag steht Frau Klein mal wieder vor einem Problem. Vor ihr auf dem Küchentisch liegt ein Formular, welches ihr die Versicherung geschickt hat. Sie geht davon aus, dass es um den Unfall ihres Sohnes geht, der sich vor wenigen Tagen im Sportunterricht verletzt hat. Wissen tut sie es nicht so genau, denn sie kann nur einzelne Worte erkennen. Dass sie nicht richtig lesen und schreiben kann, ist ihr peinlich und so versucht sie ihr Problem in der Öffentlichkeit zu verbergen. Mal hat sie dann ihre Brille vergessen oder eine schlimme Entzündung im Handgelenk. Ausreden kennt sie mittlerweile eine ganze Menge um unangenehmen Situationen aus dem Weg zu gehen. Dennoch lebt sie in ständiger Angst aufzufallen. Aber was ist, wenn sie doch mal dringend Hilfe braucht, um z.B. Leistungen zu beantragen oder aber die Inhalte des Beipackzettels der neuen Medikamente für die an Asthma erkrankte Tochter zu erfassen?
Frau Klein ist mit diesem Problem jedoch nicht allein. Wie ihr geht es laut einer Studie der Uni Hamburg etwa 6,2 Millionen Menschen in Deutschland, welche als funktionale Analphabeten bezeichnet werden. Das bedeutet, dass die Betroffenen rudimentäre Kenntnisse im Lesen und Schreiben haben, sie meist einzelne Wörter, oft auch kurze Sätze lesen und verstehen können. Längere, zusammenhängende Texte bereiten ihnen jedoch Schwierigkeiten. Selbst nach wiederholtem Lesen verstehen sie oft nicht, was sie gerade gelesen haben. Die Kenntnisse reichen in den meisten Fällen nicht über das Grundschulniveau der ersten drei Klassen hinaus. Diese Menschen können in der Regel nur eingeschränkt am Alltag teilnehmen und sind auf fremde Hilfe angewiesen.
Die Kreisvolkshochschule Mainz Bingen bieten gemeinsam mit den Mehrgenerationenhäusern der Regionalen Diakonie Rheinhessen am 18.09.2024 eine Onlineveranstaltung zur Sensibilisierung pädagogischer Fachkräfte und Mitarbeitenden mit Kundenkontakt an.
Wir freuen uns über Ihre Teilnahme.
Die Ursachen sind unterschiedlich. So wurden die Betroffenen z.B. in der Schule und im Elternhaus nicht ausreichend gefördert, sind in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen. Teilweise haben sie gesundheitliche Einschränkungen oder waren länger krank.
Wer das Lesen und Schreiben in den ersten Schuljahren nicht ausreichend gelernt hat, kann es, im weiteren Schulverlauf kaum nachholen. Weiterführende Schulen bieten hier laut Bundesministerium für Bildung und Forschung zu wenig Angebote.
Vor diesem Hintergrund setzen sich Bund, Länder und gesellschaftliche Organisationen mit der „Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung 2016–2026“ (AlphaDekade) dafür ein, dass mehr Erwachsene in Deutschland besser lesen, schreiben und rechnen können. Die größte Herausforderung wird darin gesehen, diese Menschen mit möglichst niedrigschwelligen Angeboten zu erreichen und ihre Lernmotivation zu wecken.
Ob in der Familie, im Job, beim Umgang mit Geld oder bei der eigenen Gesundheit – in fast allen Bereichen des Lebens spielt Lesen und Schreiben eine wichtige Rolle. Lesen und Schreiben sind die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben, für lebenslanges Lernen sowie gesellschaftliche und berufliche Teilhabe.
Kinder, denen vorgelesen wird, lernen nicht nur leichter, sondern gehen auch lieber zur Schule und haben vielseitige Interessen, Lesen ist die Basis für ein selbstbestimmtes Leben: Es verschafft Kindern und Jugendlichen Chancen, stärkt ihr Miteinander und lässt sie die Welt entdecken. Kinder, die mit Lesemedien und Impulsen durch Vorlesen und Erzählen aufwachsen, haben beste Chancen, selbst später gut lesen und schreiben zu können. Deshalb ist es wichtig, Eltern und Kinder beim Lesen- und Schreibenlernen zu unterstützen.
In Rheinland-Pfalz hat es sich seit 2014 „GrubiNetz – Kompetenznetzwerk Grundbildung und Alphabetisierung Rheinland-Pfalz“ zur Aufgabe gemacht, für das Thema zu sensibilisieren und ein Netz mit vielfältigen Angeboten für Menschen mit Grundbildungsbedarf zu schaffen.
GrubiNetz bietet auf seiner Homepage viele Informationen in einfacher Sprache an.
Die guten Kontakte zu den Menschen vor Ort machen die Mehrgenerationenhäuser zu wichtigen Lernorten und Partnern der AlphaDekade. Seit 2018 gibt es daher im Rahmen des Bundesprogramms Mehrgenerationenhaus den Sonderschwerpunkt „Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen“. Ergänzend zu den formalen Angeboten der Alphabetisierung und Grundbildung können die Mehrgenerationenhäuser mit diesen Mitteln neuartige und niedrigschwellige Ansätze entwickeln und umsetzen wie beispielsweise flexible Lerncafés, Workshops über den Umgang mit Geld, Formularhilfen oder kreative Angebote, bei denen in alltäglichen Situationen lesen und schreiben geübt wird.
Unsere Angebote vor Ort
Die Mehrgenerationenhäuser des Diakonischen Werks in Rheinhessen beteiligen sich an der Alphabetisierungskampagne mit verschieden Angeboten in Mainz, Alzey und Worms.
Neue Interessierte sind jederzeit herzlich willkommen.
Angebote im Mehrgenerationenhaus Alzey
Offenes Lerncafé, Donnerstag von 15:00 bis 17:00 Uhr
Weitere Hilfen, wie Formularhilfe, Bewerbungswerkstatt oder Online-Lernen erfolgen nach Terminabsprache.
Kontakt unter 06731 - 996812
Angebote im Mehrgenerationenhaus Römerquellen-Treff in Mainz-Finthen
Lese-Rechtschreibwerkstatt für Fortgeschrittene: Montag, von 11:00 bis 13:00 Uhr
Lese-Rechtschreibwerkstatt für Anfänger: Montag, von 13:30 bis 15:30 Uhr
Kontakt unter 06131 – 62 99 09
Angebote im Mehrgenerationenhaus Worms-Neuhausen
Offener Lerntreff (Zusammen lernen): Mittwoch von 15:00 bis 17:00 Uhr
Offener Lerntreff (Alleine lernen): Montag bis Freitag von 10:00 bis 14:00 Uhr und Dienstag bis 16:00 Uhr
Lernberatung und Einzelförderung: nach Vereinbarung
Kontakt unter 06241 - 369 44 55
Kontakt
Regionale Diakonie Rheinhessen
Mehrgenerationenhaus Alzey
Schlossgasse 13
55232 Alzey
06731 - 9009652
06731 - 996820
mgh-alzey.rheinhessen@regionale-diakonie.de
Mehrgenerationenhaus Römerquellentreff
Sertoriusring 31
55126 Mainz
06131 - 6299 - 09
06131 - 6299 - 24
mgh-mainz.rheinhessen@regionale-diakonie.de
Mehrgenerationenhaus Worms
Heinrich-Von-Gagern-Str. 45+47
67549 Worms – Neuhausen
06241 - 369445 - 5
06241 - 369445 - 3
mgh-worms.rheinhessen@regionale-diakonie.de